Vor 200 Jahren (1817) ging Hahnemann, konfrontiert mit der Unfähigkeit seiner Rezensenten, den „Geist der neuen Heillehre“ zu begreifen, zu einer strikt empirischen Argumentation über und forderte von seinen Kritikern: „Macht’s nach, aber macht’s genau und sorgfältig nach“! Nichtsdestotrotz blieb die weltweite Auseinandersetzung um die Homöopathie bis heute auf theoretische Fragen fixiert.
Doch selbst innerhalb dieser Sparte von Wettstreit wurden mittlerweile von verschiedenen Wissenschaften eine überwältigende Quantität und Qualität von Perspektiven angehäuft, die die Homöopathie unterstützen und rechtfertigen. Philosophisch und erkenntnistheoretisch betrachtet erscheint die Homöopathie als eine phänomenologische, hermeneutische, semiotische, holistische und individualisierende Heilkunst, kognitionsbasiert, ressourcenorientiert, salutogenetisch usw. Aus statistischer und sozioökonomischer Sicht scheint sie, Kosten und Nutzen betreffend, wirksam und sicher zu sein, unverdorben von den bekannten Manipulationen der Großen in der Pharmaindustrie usw. Aspekte, die die Homöopathie prinzipiell herausfordern könnten, scheint es dagegen nur wenige zu geben. Aber zum Beispiel auch die Unterstellung des Fehlens eines Wirkstoffs in homöopathischen Arzneimitteln ist abhängig von und plausibel nur in einem Rahmen von bestimmten Vorannahmen, etwa der Stofflichkeit von allem und der Letztgültigkeit einiger bisher bekannter „Naturgesetzte“.
An dieser Stelle trifft sich die moderne Philosophie mit der antiken Erkenntnistheorie des Jainismus, speziell mit seinen Konzepten von Anekantavada, Syadvada und Nayavada, das heißt des Pluralismus und der Vielfältigkeit der Standpunkte, des Perspektivismus und des partiellen Standpunktes als Folge von Zwecken.
Um sich vor einem drohenden Monismus und der Vorherrschaft einer einseitigen, engstirnigen und kommerzgetriebenen Ideologie im Gesundheitssystem zu verwahren, sind Patienten und Ärzte der ganzen Welt aufgerufen, hinsichtlich des Lebens, der Medizin und der Politik mit Nachdruck einen polyperspektivischen Ansatz zu vertreten.
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