Fallberichte tragen seit jeher wesentlich zur Entdeckung und zum Verständnis von Erkrankungen, Diagnostik und Therapien bei. Fallberichte gelten als Markstein medizinischen Fortschritts. Kaum eine andere Beobachtungsmethode kann so viel patientennahe Information über den „point of care“ beisteuern – hinsichtlich etablierter und möglicher neuer Therapien sowie hinsichtlich Nebenwirkungen, toxischer Reaktionen, neu entdeckter, außergewöhnlich auftretender oder seltener Erkrankungen, komplexer Erkrankungssituationen, individualisierter Behandlungen, patientenzentrierter Medizin, komplexer spezieller Kontextualisierung von Erkrankung und Therapien und auch wichtiger subjektiver Bedeutungen von Erkrankungen und ihrer Behandlungen am konkreten Patienten. Insgesamt stellen Fallberichte eine wesentliche Ergänzung der klinischen Studien dar. Sie sind ein Verbindungsstück zwischen evidenzbasierter Medizin und konkreter Patientenbehandlung. Auch für die Bewertung von Leitlinien im klinischen Alltag können Fallberichte eine wichtige Informationsquelle sein.
Die Grundlage guter Fallberichte sind die Vollständigkeit und Transparenz der Information, aber auch das gute klinische Urteil. Das klinische Urteil ist Herzstück klinischer Professionalität. Seine zentralen Merkmale sind profundes Sachwissen, medizinisch-wissenschaftlich geschulte Reflexion und Beobachtung, implizites Wissen, Reflection-in-Action und Gestalterkennen. Für eine Verbesserung der Qualität von Fallberichten, der Vollständigkeit und Transparenz wurden konsensusbasierte Leitlinien (CAseREporting Guidelines) entwickelt. Diese sollen helfen, dass durch hochwertige Fallberichte, Einzelfallstudien und qualitative Forschung künftig wichtige klinische Beobachtungen und Einzelfallforschungen für die allgemeine Erkenntnisgewinnung systematisch nutzbar gemacht werden können.
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