Prof. Dr. Robert Jütte: Medizinischer Pluralismus – Was wir aus der Geschichte lernen können

Wenn jemand vor dem Beginn des Zeitalters der modernen Medizin krank wurde, konnte er unter einem großen Angebot unterschiedlichster Therapeuten wählen. Zu jener Zeit dominierten die approbierten Heiler noch nicht den medizinischen Markt, wenngleich es schon eine Tendenz zur Monopolisierung, die vom Staat begünstigt wurde, gab. Dem widerspricht nicht der Umstand, dass die „Kurierfreiheit“ in Deutschland von den 1870er-Jahren bis in das frühe 20. Jahrhundert gesetzlich garantiert war.

Als am Ende des 18. Jahrhundert Samuel Hahnemann seine neue Heilkunst, die er später Homöopathie nannte, propagierte, führte das zu einem Bruch in der Ärzteschaft, der noch heute zu spüren ist. Die Homöopathie und nicht eine andere CAM-Therapie bildet nämlich den Lackmustest für den medizinischen Pluralismus. Homöopathie ist jedoch nicht die einzige Herausforderung für die Biomedizin. Die Integrative Medizin könnte in eine Sackgasse führen, wenn das Weltbild der darunter subsumierten Therapien an Bedeutung verliert und lediglich die speziellen Techniken (Medikation, Nadelstechen oder manuelle Techniken) angewandt werden, immer unter dem Blickwinkel der Evidenz. Die Haltung des Staates zu den traditionellen Heilweisen wird zukünftig sehr stark von ökonomischen Überlegungen abhängen, da die Gesellschaft altert und chronische Erkrankungen zunehmen. Das könnte durchaus eine Chance für die Homöopathie sein, wenn der Fokus nicht mehr der Wirkungsnachweis ist, sondern die Wirksamkeit, wie sie Outcome-Studien belegen.

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